Donnerstag, 30. Mai 2013

97. RUND UM KÖLN 2013

12. Mai 2013. 7 Uhr - früh aufstehen.

Geplant ist Dusche und Rasieren. Ich sehe raus und stelle "kalt und nass" als Charakteristik des Tages fest. Duschen wird schon mal geknickt, um den wärmenden Effekt der fettigen Haut zu nutzen (Enten gehen auf dem See ja auch nicht unter, aufgrund Ihres gefetteten Gefieders :-). Rasieren fällt auch flach, um mich im Holzfäller-Look besser durchs Bergische beißen zu können.

Anfangs war geplant, dass ich mit dem Auto selber hinfahre, parke und zurückfahre. Doch am Abend vorher kam mir dann die Idee, dass mich Andrea mit den Kindern hinfährt und ich nach dem Rennen nach hause radle. So musste ich weder einen Parkplatz suchen, noch mit der Karre rumgurken. Danke Drea!

Angekommen. Rad vom Dach. Abschied von der Familie: "Bis später - viel Erfolg!"

Dann erst mal den Beutel mit frischer Wäsche abgegeben, so habe ich am Ziel etwas trockenes zum anziehen! Gut, dass ich nicht den Rund um Köln Beutel genommen habe, wie die knapp 4000 anderen Fahrer, sondern einen "Firmenlauf"-Beutel. Es stellte sich später heraus, dass man diesen gut im drei Meter hohen Haufen erkennen kann!

Dann ging es zur Startaufstellung. Im Startblock "C".
Gar nicht so einfach den richtigen Platz zu finden.  Beschildert waren immer die Einfahrten; wenn man sich also dumm anstellte, stand man in "D" vor dem "C" Schild... Naja.

Startblock "C"


Und dann hieß es warten. Im Nachhinein hätte ich auch eine Stunde länger schlafen können...
Die Wartezeit war dröge, angespannt - ich war einsam in der Menge und es wurde zunehmend frisch. Den extra Schlaf hätte ich Nachts gut gebrauchen können: da ich so aufgeregt war konnte ich am Abend vorher gar nicht einschlafen.

Warte-Yoga (copyright sportograf.com)


Im Startblock gab es junge und alte, dicke und dünne, zu kalt angezogene und zu warm gepackte. Die üblichen Waden-Tätowierten und Schnauzbart-Träger. Allgemein waren alle bis in die Haarspitzen auf Rennen "gestylt". Mit passenden Trikots. Nur ich - Mr. Aldi - hatte wieder meinen Crossover-Mix an. Und ich glaube, ich war der einzige mit Klingel am Lenker und einer ganz normalen Brille auf der Nase ;-)

 (copyright sportograf.com)


Habe ich schon erwähnt, dass es ultra-lange dauerte bis zum Start? Ja? Ok.
Es machte es auch nicht besser in den Horizont zu schauen, nach norden die Rheinuferstrasse hinauf. Von dort baute sich eine dunkle Wolke bedrohlich auf und kam langsam näher.
Das schlechte Wetter kam also angekrochen und wir konnten nicht weg, da alle auf den Start warten mussten. Und es kam wie sollte, bevor wir starten durften, kam ein Temperatursprung von gefühlten 10 Grad und plötzlich fielen Hagelkörner auf alle stehenden Fahrer nieder. Und wir mussten uns weiter gedulden...

 (copyright sportograf.com)


"A" durfte starten, ... "B" wurde gestartet.
Noch eine Minute ... dann konnten wir schon mal langsam zur Startlinie rollen. Schon bis auf die Knochen durchnässt und frierend bevor das Rennen erst gestartet wurde!´

An der Startlinie hatte der Sprecher doch Einsicht und zählte das "10,9,8..." deutlich schneller und wir konnten los! Und direkt zerfaserte sich der Startknubbel in eine längere Perlenkette mit kleinen Fahrer-Feldern. Viele rasten sofort los, obwohl die Strasse quasi vereist war; die meisten rollten langsam -wie ich- erstmal auf Touren. Doch viele blieben schon 200m nach dem Start stehen, um Jacke und Handschuhe anzuziehen. Ich sollte über 4 Stunden nicht anhalten.

Der Rheinufertunnel direkt nach dem Start war eine Wohltat: Es war Warm und trocken.

Die ersten Kilometer taten richtig gut: Endlich fahren!
Mir wurde endlich auch warm. An den Gedanken "Rennen" wollte ich aber nicht denken. Ich dachte, wenn ich mir vormachen würde, das Ganze sei eine schnelle Fahrradtour, hätte ich mental einen Vorsprung. Und die ganze Strecke war auch wie ein Ausflug für mich: Halt nur auf "Speed" :)

Ich merkte, dass ich durch mehrere RTFs und Ausfahrten mit Christoph und Dirk, schon viele Teilabschnitte von Rund um Köln kennengelernt hatte.
Ich fand meine Frequenz und freute mich zwischen 37 und 46 km/h schnell zu fahren. Meine Angst vor dem Schlusswagen schien unberechtigt gewesen zu sein: Es war einfach Klasse auf abgesperrten Strassen zu heizen, nie für Autos oder Ampeln bremsen zu müssen. Klasse!

Über die Mülheimer Brücke, Bergisch Gladbacher Straße, an dem Draka Gebäude, Picoloministraße vorbei, auf den Dünnwalder Mausfad raus ans Bergische in Richtung Odenthal.

Am Odenthaler Kreisel dachte ich schon, es gehe "linke" in Richtung Altenrath, aber es ging "rechts" in Richtung Voiswinkel und dann auch dort nicht weiter nach Voiswinkel, sondern links den ersten Anstieg Richtung Scheuren hoch.

Atmobild bei Sand  (copyright sportograf.com)


Erster Anstieg: Ich hatte bammel, da ich den Berg noch nicht kannte ... Mit welcher Strategie sollte ich den Berg nehmen?

Sollte ich im Sattel mit Kraft hochfahren? Oder hochschalten und im Wiegeschritt die vermeintliche Kuppe fahren? Oder erstmal "langsam" machen?

Nachdem ich sah, was die anderen Fahrer machten, tat ich es ihnen gleich und machte konzentriert und ruhig. Ich schaltete so weit runter, bis ich einen kleinen Gang hatte (kleines Blatt an der Kurbel und großes an der Kassette). Meine  Trittfrequenz blieb dadurch einfach auf gleichem Niveau. Sprich, ob ich nun bergab 60 fahre oder berghoch 9km/h: Ich stellte meine Schaltung so ein, dass meine Trittfrequenz gleich blieb.

Ich glaube diese Strategie hat mir den Popo gerettet. Mit wilder Kraft hätte ich mich am ersten Berg schon verausgabt.

Nach dem längerem Anstieg nach Scheuren, fanden wir uns auf der Höhe wieder, voll im "Bergischen" - Richtung Dünntahlsperre. Die Straßen waren nun profiliert und immer noch nass. Ob es regnete, kann ich nicht sagen: Durch die nasse Straße wurde immer Spritzwasser hochgewirbelt.

Die Aussicht war aber wunderschön: Klare Sicht auf einen dramatischen Himmel.

Satte Landschaft - Links wie rechts (Foto beim RTF "Staubwolke Refrath", 1.Mai, gemacht)


Man hörte nur surrende Ketten und roch muffige Trikots. Herrlich.
Das war ungefähr bei Kilometer 30. Ich wollte einfach nur weiterfahren ohne an die verbleibenden Kilometer zu denken...

(copyright sportograf.com)


Dann kam der Anstieg bei Sand. Da geht es ganz schön brutal hoch! Oben war für die Profis auch die erste Bergankunft vorbereitet. Aber es machte echt Spaß alles zu geben. Auch dieses mal war ich erstaunt, so gut den Berg hoch zukommen. Oben, bei der Ankunft konnte ich es mir nicht verkneifen den Fotografen anzuklingeln, dass er, statt seine Fotos zu kucken, ein Foto von mir machen sollte.

Fotograf wachgeklingelt  (copyright sportograf.com)


Dann ging etwas bergab an Schloss Lerbach vorbei in Richtung Bensberg. Ich hatte schon Angst vor dem Kopfsteinpflaster, auf dem man zum Schloss Bensberg hochfährt...

 Geschüttelt und gerührt... (copyright sportograf.com)


Aber auch dieser legendäre Anstieg war mehr oder weniger "Easy"! Das schwierigste war, dass, wenn man zuviel Druck auf die Pedale legt, das Hinterrad auf den nassen Steinen durchrutscht. Aber das war ich ja vom MTB Fahren im feinsandigen Königsforst gewohnt. Also bin ich ganz behaglich ohne aus dem Sattel zu gehen, locker hochgestrampelt. Immer mit einem Lächeln und mal wieder wundernd, was die Kollegen alle  so schnauften und spuckten. Ich lag an diesem Tag mit meiner "Berg-Strategie" sehr gut, hatte kaum Mühe und hatte oben angekommen noch Luft, um direkt wieder druck zu geben!

 (copyright sportograf.com)

Die nächsten 30 km kannte ich auswendig und freute mich schon.
Über welliges Profil nach Forsbach. An der Forsbacher Kreuzung rechts nach Kleineichen. Wieder links nach Rösrath.

Dieses Teilstück hat total Bock gemacht. Mike, ein Bekannter, hatte mich davor gewarnt, an diesem Teilstück zu rasen, denn man würde sich dort schnell verausgaben und bei der zweiten Runde an der Stelle einzubrechen. Ich ließ es weiterhin locker angehen und naschte die Riegel aus meinen Taschen.

Insgesammt habe ich 3 Proteinriegel und 4 Obstriegel (alles Aldi) geknabbert, um etwas bei Kräften zu bleiben. Für zu trinken, hatte ich zwei 0.75l Flaschen mit. Wasser mit Frubiase Sport Brausetabletten. Also insgesammt knapp 1200 kcal ... Wobei ich fast 5000 kcal verbraucht habe. Keine Ahnung, wie man da "plusminusnull" raus kommen soll ;-)

An die Rennsituation konnte ich mich am wenigsten gewöhnen. Immer musste man schauen, wer einen, wie überholen wollte - viel zu stressig. Dauernd klebten andere Fahrer so an meinem Hinterrad, dass ich sorgen hatte diese durch eigene und nötige Brems- oder Ausweichmanöver vom Rad zu holen. Wat'n Stress. Ich will mich aber nicht beklagen - Verdammt, es war ein Rennen.

Weitere Euphorie kam dann auf der Kölner Strasse bei Stümpen auf, meiner "Homebase" als Exil-Rather. Dirk hat es sich nicht nehmen lassen und stand mit seinem Sohn an der Strecke! Yeah, dass gab Brennstoff und Stimmung in die Beine. Ein schönes Gefühl!

Christoph der gerade im Blumenladen von Rösrath stand, hatte mich auch gesehen. Bin ja durch meine knallgelbe Aldi Jacke von weitem gut zu erkennen.

Beide haben sich gewundert, warum ich nicht im Windschatten gefahren bin... Bei Dirk, bin ich ausgebrochen um zu grüßen und bei Christoph, auf dem Weg nach Hoffnungsthal, bin ich mittig gefahren, um nicht in den Frostschäden der Straße zu hängen. Die anderen Fahrer kannten das nicht und knallten immer wieder in die Löcher...

Von Hoffnungsthal aus ging es dann hoch nach Lüghausen. Auch wieder sehr sehr steil, doch dort war ich drei Tage vorher mit Christoph gefahren - Glück gehabt, topp Training! Konnte meine Reserven deshalb gut einteilen nach Hofferhof.

der Kleine Dominator ;-)  (copyright sportograf.com)


Beim Hofferhof, war die "Verpflegungsstation": Zwei Leute die Obst und Wasser reichen... Da lobe ich die RTFs: Kosten nur einen Bruchteil eines Rennens, doch man bekommt alle 30km "all you can eat" Zitronentee, Kuchen, Waffeln, Riegel, Schokolade, Obst, alles mögliche. Luxus!  Hier nicht... ;-) Aber ist halt 'n Rennen, ne?

Weiter auf der Höhe nach Eigen und Heiligenhaus. Runter nach Overrath und bei Kilometer 70 der nächste lange Anstieg nach Hohkeppel. Einer der längsten Anstiege des Tages.
Hier konnte ich die "Sprinter" wieder einholen. Einen nach dem anderen konnte ich sie pflücken. Ich hätte vorher nie gedacht, dass ich so gut die Anstiege hoch komme. Selbst einige die mich kurz einholten, konnte ich im weiteren Verlauf des Anstiegs wieder einholen. Triumphal!

Irgendwie dachte ich, nun einmal links abbiegen und wir sind wieder in Bensberg... Doch es ging ja länger heute :)

Von Hohkeppel runter ging es dann rechts nach Herkenrath hoch. Der längste Anstieg im Rennen. Auch psychologisch demütigend, da man den Anstieg kilometerweit sieht. Aber was soll ich sagen, ohne mich zu wiederholen: Et liev joot!

Und das Essen nicht vergessen  (copyright sportograf.com)


Und nun kam die DejaVue-Runde: Spitze runter, Sand hoch, Bensberg hoch und über Forsbach runter. Immer konzentriert fahren ohne sich zu verausgaben. Ich hatte bei der zweiten durchfahrt keine Probleme. Yes

 (copyright sportograf.com)


Nun kamen Torkelfahrer hinzu.
Seit Spitze hatte ich mich schon gewundert, dass so viele Fahrer überholt werden. Es tummelten sich die 68km-Strecken-Fahrer hinzu. Ein jetzt buntes Fahrerfeld: Schutzbleche, Tandems und Mountainbikes.

Jetzt nur noch die Rösratherstrasse nach Köln!
Gewillt auf der flachen Strecke, die tendenziell in die kölner Bucht runter führt, Gas zu geben, kam das Wetter aber hinzu. Starker Gegenwind, leichter Regen und wieder Hagel. Köln hatte mich wieder!

Support an der legendären "Schmitzebud": Martin, Gereon, Nicola, Toni, Ronja und Drea (v.l.) zum Orginal-Artikel


Schmitzebud! Den Augenblick werde ich nie vergessen. Ich wusste, dass meine Frau mit den Kiddies dort steht. Sie hatten Schilder gebastelt, die sie hochhalten wollten. Ich war so gespannt!
Als die Schmitzebud kam, scherte ich aus und klingelte, damit sie mich sahen. Und es waren alle da! An der Schmitzebud war fast mehr los als in Bensberg!
Ich fuhr vorbei und sah Drea, Conrad. Daneben Miri. und Martin, der wie immer auf Sandalen, die Arme hochriss und mit Conrads Plakat "Lieber Papa Du gewinnst!" rumhopste! Ein Bild für die Ewigkeit. Ich kann kaum beschreiben, was ich fühlte: Eigentlich alles. und das, alles auf Einmal und ich musste leider weiterfahren. Ich hätte am liebsten alle umarmt und gedrückt, vor Freude, Glück und Liebe.

Aufgeladen mit den Emotionen gab ich jetzt den Endspurt. Nur noch 8 oder 10km bis zum Ziel. Lächerlich! Zeit einige Reserven platt zu fahren, die brauche ich nicht mehr, dachte ich.

Getrübt wurden die letzten Kilometer nur durch Asis: Da gab es in Rath einen Autofahrer, der mich bei der Sparkasse von rechts geschnitten hat! Wohlgemerkt ein abgesperrtes Rennen! Was macht der Kerl auf der Straße? Nachdem er sich gegen mich durchgesetzt hat, vor er langsamer als ich vor mir - ich musste bremsen! Die Krönung: Bei der Roten Ampel, Eiler Straße, blieb der Kerl stehen!!! Ignoranter Trottel - In die Eisen gegangen, rechts fluchend überholt: Was für ein Idiot!
Sonst gab es nur die üblichen Verdächtigen, die ab Ostheim, Vingst, Kalk, einfach über die Strasse gelatscht sind. Nicht auf den Verkehr achtend, auch nicht auf die Ordner hörend. Aber das machen die ja immer ;-)

In Vingst habe ich einen der schwersten Krämpfe meines Lebens bekommen. Es nachträglich gesehen, keine Gute Idee gewesen, ab Rath vollgas zu geben. Der Gegenwind war Teilweise so stark, dass er einen auf 22 km/h drückte bei flacher Strasse.
Im hinteren linken Oberschenkel bekam ich einen Krampf, ich konnte nicht mehr treten. Mit gestreckten Bein, weiterhin in den Pedalen, versuchte ich den Krampf zu überwinden. Dabei rollte ich von Anfang Vingst bis nach der Unterführung vor Kalk. Erst ab Kapelle konnte ich wieder richtig  treten. Aber den Krampf merke ich noch heute, knapp vier Wochen später beim laufen!

Nächstes Mal - nicht alles geben und immer ruhig. Aber hey, war doch ein Rennen!

Froh und glücklich  (copyright sportograf.com)


Ab der Überfahrt der Severinsbrücke konnte ich nur noch lächeln. Ich freute mich so, alles geschafft, nicht aufgegeben und den Schlusswagen nicht gesehen zu haben.

Im Gegenteil bin ich ein ziemlich gutes Rennen gefahren und fuhr mit allen Eindrücken durchs Ziel.

Geschafft, im Ziel  (copyright sportograf.com)


Fazit: Ich bin 642. der "Jedermänner" geworden. Nicht besonders Topp aber Stolz wie Oskar!
4 Stunden 11 Minuten und 47 Sekunden bin ich nicht angehalten und hatte einen Schnitt von 29.85 km/h!

 Ergebnis (Männer) der 125 km Strecke (Die ersten Tage war der Server total überlastet)
Symphatisch, dass auch Websites einen Hungerast haben können :)


Schluss!  (copyright sportograf.com)


Vielen Dank an meine Frau, die mich Allzeit unterstützt hat. Da wird einfach mal "Muttertag" zu "Vatertag" :-)

Vielen Dank an alle, die an der Strecke standen!

Und vielen dank an Christoph, Dirk und den Jungs der MTB Schäl Sick (Christian, Markus und alle anderen) für die schönen und teils harten Trainingseinheiten! Ohne Euch hätte ich nicht alle so an jedem Berg stehen lassen können! Lasst uns bald wieder ausfahren, wenn meine Schulter wieder fit ist!

Bald wieder: Fette Kette

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